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Vom Wohnbau zum Städtebau: Mobilität, Vernetzung und Verknappung
Anlässlich dieser Weiterentwicklung lud die IG LEBENSZYKLUS BAU am 22. Jänner 2019 zu einem exklusiven Bauträger Forum ein. Gemeinsam mit Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt Wien, der u.a. die Wichtigkeit des systemischen Umfelds für die Zukunft des Städtebaus hervorhob, diskutierten 17 hochkarätige Vertreter öffentlicher Wohnbauträger und Developer zu den drei Themenschwerpunkten Mobilität, Vernetzung und Verknappung.
So wurden Themen wie Infrastrukturentwicklung, Mobilitätstrends, Nachverdichtung, Energie und Daten sowie CO2 Bilanzen und Ressourcenmanagement aus Bauträgersicht beleuchtet und auf ihr Innovationspotential abgeklopft. Die drei in wechselseitigem Zusammenhang stehenden Themenschwerpunkte spannen zudem den Rahmen für die diesjährigen Arbeitsgruppen des Vereins auf.
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„Beim Thema Mobilität zeichnen sich klare Trends ab: Während die zurückgelegten Transportkilometer potenziell zunehmen werden, so verändert sich der Mobilitätsbegriff selber. Unter dem Stichwort `Mobility as a service´ ist das eigene Auto immer weniger gefragt – Sharing Modellen, autonom und elektrisch fahrenden Autos, gehört die Zukunft. Daraus ergeben sich für die Personen- und Gütermobilität ganz neue Geschäftsmodelle und -konzepte und somit auch ganz neue Wertschöpfungsketten mit neuen Spielern und neuen Ökosystemen.“
Erich Thewanger (KPMG)
„Zukunft ist ein auszuhandelnder Prozess und es gilt somit im Gesamtzusammenhang den gesellschaftspolitischen Wollensprozess nicht außer Augen zu lassen. Zukunft ist was wir gestalten; das gilt besonders für Mobilität.“
Thomas Madreiter (Stadt Wien)
„Wenn wir lebenswerte Städte wollen, brauchen wir kluge, am Bedarf orientierte Regulierungen – auch von Seiten der Bauträger. Denn niemand, weder die Bauträger noch die Nutzer, profitieren z.B. von leerstehenden Garagen. Es gibt also einen klaren Auftrag an die Politik: Lebensqualität fördern und Kosten entlasten.“
Klaus Wolfinger (Wolfinger Consulting)
„Potenziell wird unser Mobilitätsaufkommen steigen. Nun stellt sich die Frage, was wir daraus machen? Vergeuden wir wertvolle Zeit am Steuer oder nutzen wir die Zeit im Zug, um zu arbeiten?“
Karl Friedl (M.O.O.CON)
„Wir befinden uns in einem Kulturwandel der Arbeitswelt, in der Mobilität und Digitalisierung eine große Rolle spielen und sich wechselseitig bedingen. Mobilität bedeutet durch die Digitalisierung auch, dass ich nicht unbedingt jeden Tag ins Büro muss – unsere Arbeitsplätze werden flexibler.“
Ferdinand Harnoncourt-Unverzagt (BIG)
„Wir haben ein Dilemma zwischen dem Ziel, Mobilität zu verringern und Lebensqualität zu steigern und das nennt sich Convenience. Während Sharing-Modelle das große Potential haben, die Ressourceneffizienz zu steigern, so werden durch die große Verfügbarkeit wieder unnötige Kilometer verfahren. Gesellschaftspolitisch werden wir uns möglicherweise von unserem Conveniencedenken wegbewegen müssen.“
Peter Ulm (6B47)
„Verringerte Mobilität bedeutet nicht nur eine Ressourcenminderung, sondern kann auch gleichzeitig eine Erhöhung der Lebensqualität bedeuten. Vor allem dann, wenn wir von geringeren Transportzeiten sprechen.“
Michael Baert (IFA)
„Das Land schrumpft nicht, weil die Stadt wächst, sondern die Stadt wächst, weil das Land schrumpft. Am Land ist das Chancenpotenzial deutlich geringer – dagegen müssen wir arbeiten. Das bedeutet, dass Bauformen am Land urbaner werden müssen, denn die Gesellschaft wird urbaner.“
Thomas Madreiter (Stadt Wien)
„Sprechen wir doch von Dichte, anstatt Stadt und Land so zu pauschalisieren – es gibt ja genauso weniger dicht besiedelte Städte. Dichte und Mobilität hängen zusammen: Ist die Dichte gering, steigt die Mobilität. Wenn Dörfer verwaisen, weil sie nicht urban genug sind und Geschäfte, Ärzte und Postämter nicht vorhanden sind, dann steigt das Mobilitätsvorkommen. Wenn die Dichte gering ist, ist es auch schwierig, öffentlichen Verkehr effizient und für alle nutzbar zu gestalten. Für qualitätsvolle Stadtentwicklung ist die Dichte ein maßgeblicher Faktor.“ Josef Ostermayer (SOZIALBAU)
„Wir bewegen uns in dem Spannungsfeld zwischen Mobilität und einer möglichst hohen gesellschaftlichen Kohäsion. Daraus ergibt sich die Frage: Wie reduziere ich die Mobilität auf ein Minimum und garantiere dennoch einen hohen gesellschaftlichen Zusammenhalt?“
Erich Thewanger (KPMG)
In einem kurzen Impuls leiteten Margot Grim (e7 Energie Markt Analyse) und Klaus Reisinger (iC consulenten ZT) das Thema Vernetzung ein:
„Vernetzung durch Energiesysteme bedeutet, besonders in Bereichen zwischen sehr dicht und sehr leicht bebautem Raum, Synergien zu nutzen und z.B. gebäudeübergreifende Energiesysteme aus lokalen, erneuerbaren Energieträgern zu implementieren. So kommunizieren die Gebäude miteinander. Eine konkrete Herausforderung ist es, Alternativen zu Gas und Fernwärme zu finden und gleichzeitig auf Prozessebene zu klären, wer den Auftrag hat, dies auch umzusetzen.“
Margot Grim (e7 Energie Markt Analyse)
„Die Dichte ist bei Mobilität, Vernetzung und Verknappung ein maßgeblicher Faktor. Eine hohe Dichte, wie sie meist in der Stadt zu finden ist, ist genauso in punkto Energieversorgung effizienter. Wichtig ist auch, dass wir das Thema Vernetzung ganzheitlich und im Rahmen der drei Säulen der Nachhaltigkeit betrachten. Das bedeutet auf ökonomischer Ebene, dass wir effizient heizen und kühlen müssen – und das natürlich ökologisch durch nachhaltige Ressourcennutzung. Genauso muss jedoch die soziale Komponente berücksichtigt werden, Energiesysteme müssen so gestaltet werden, dass sich der Nutzer auch wohlfühlt.“ Klaus Reisinger (iC consulenten ZT)
„Vernetzung hat viel mit Mobilität zu tun und soll Verknappung entgegenwirken. Um wirklich effizient zu sein, müssen wir das Thema in ein holistisches Ganzes einbetten. Es braucht ein optimales systemisches Umfeld, damit einzelne Maßnahmen Sinn machen – sonst nützen selbst die besten singulären technischen Lösungen wenig. Bei Smart City geht es etwa nicht um die Umsetzung des jeweils letzten Forschungsstands, sondern darum praktikable Lösungen in die Anwendung zu bringen. Es geht – bildhaft gesprochen – um die Balance zwischen Standbein und Spielbein.“ Thomas Madreiter (Stadt Wien)
„Ein Grund für die stockende Implementierung übergeordneter Energienetze sind fehlende Geschäftsmodelle. Hier muss die Stadt Wien muss ihre Rolle als Koordinator für die Vernetzung wahrnehmen – denn das, können private Stakeholder nicht leisten.“
Margot Grim (e7 Energie Markt Analyse)
„Eine ganzheitliche Sichtweise bedeutet nicht nur, dass wir unseren Fokus vom einzelnen Gebäude auf ganze Stadtteile ausweiten müssen, sondern auch die Bedürfnisse der Bewohner berücksichtigen müssen – denn auch die müssen von Veränderungen profitieren. Wenn wir also Fotovoltaiksysteme implementieren, könnte man das gleich mit dem Bau eines Balkons verbinden – so profitieren alle. Wir sollten aber auch von sozialer Vernetzung sprechen, die sich mit liegenschaftsübergreifenden Gemeinschaftsflächen forcieren lässt.“
Josef Ostermayer (SOZIALBAU)
„Wir müssen bei den Investitionen auch immer den Mieter mitdenken, denn wenn der nicht mit mitzieht, bringen die innovativsten energiebezogenen Eingriffe nichts – das gilt für die technische Gebäudeausrüstung genauso, wie für innovative Tarifmodelle.“
Thomas Madreiter (Stadt Wien)
„Bei der Vernetzung geht es ja auch um die Verwendung realer Gebäudedaten. Wie sehr vernetzen wir unsere Gebäude? Wie komme ich von den Daten zu einer intelligenten Gebäudenutzung? Und wie lernen wir aus den Daten?“
Daniel Grossmann (MINEWERK)
„Die Nutzung von Gebäudedaten ist noch sehr gering, wir bewegen uns da zwischen 0-3 Prozent. Auch die Verbindung von Maschinen- und Gebäudedaten ist noch nicht gelöst. Derzeit wird die gebäudeübergreifende Vernetzung massiv verhindert, weil das Quartierdenken bei den verschiedenen Stakeholdern noch nicht angekommen ist.“
Christoph M. Achammer (ATP architekten ingenieure)
„In Sachen Energieversorgung und gebäudeübergreifende Messdaten stehen liberale Rahmenbedingungen der Implementierung integraler Konzepte im Weg. Während der Status quo im Sinne einer Gewinnmaximierung jedes Gebäude einzeln betrachtet, so wäre ein Quartierdenken effizienter und nachhaltiger. Davon sind wir Lichtjahre entfernt.“
Klaus Reisinger (iC consulenten ZT)
„Wobei – beim Bauen in Baulücken ist es bereits Praxis, sich mit angrenzenden Eigentümern zu vernetzen. Was das Thema Daten betrifft – während die Messtechnik explodiert, werden die Messdaten selber bis dato kaum genutzt.“
Michael Baert (IFA)
In einem kurzen Impuls leitet Vorstandsmitglied Christoph M. Achammer (ATP architekten ingenieure) zum Thema Verknappung über:
„Zurzeit herrscht ein Ungleichgewicht: Wir haben Energie zum Abwinken, während Grund und Boden ein rares Gut ist. Gleichzeitig begünstigen politische Prozesse Widmungsgewinne und Eigentum, während Arbeit hoch besteuert wird – das kann nicht im öffentlichen Interesse sein. Warum drehen wir das nicht um? Wenn wir Energie besteuern und Widmungsgewinne neutralisieren, wäre das ein riesen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit.“
Christoph M. Achammer (ATP architekten ingenieure)
„Die Zersiedelung ist in Österreich ein massives Problem – das ist weder nachhaltig noch effizient. In Deutschland läuft das anders. Daher braucht es ein Regulativ in der Flächenwidmung. Hier gäbe es den Vorschlag der der ökologischen Besteuerung. Man müsste jedoch bedenken, dass die Industrie beweglich ist und wir daher dem Risiko der Absiedelung ausgesetzt sind.“
Berthold Lindner (Heid & Partner Rechtsanwälte)
„Gut, aber nur die ressourcenfressende Industrie würde abwandern. Wenn wir Energie statt Menschen und Arbeitskraft besteuern würden, zögen wir intelligente Menschen an und würden ineffiziente Industrien auslagern – damit können wir leben. Zurzeit zahlt niemand für Energie, wir zahlen ausschließlich die Infrastruktur zur Verteilung der Energie. Das müssen wir ändern!“
Erich Thewanger (KPMG)
„Wir können uns keinen schlampigen Umgang mit Grund und Boden leisten! Eine sinnvolle Lösung ist die sozial sensible Nachverdichtung. Smart dahingehend, dass wir vernetzt denken und aktiv die Bevölkerungsbeteiligung forcieren – dann lässt sich die Stadt mit Mehrwert für alle weiter entwickeln. Solange die Lebensqualität im Vordergrund steht, ist ein strategisches Nachverdichten positiv zu sehen.“
Thomas Madreiter (Stadt Wien)
„Genau das tun wir bereits! Wir betreuen öffentliche Parks mit unseren Projekten, wir bauen Erdgeschosszonen und Parkplätze mit E-Ladestationen.“
Josef Ostermayer (SOZIALBAU)
„Auch wir wollen Lebensräume statt Schlafräume schaffen, das ist ein klares Bekenntnis und unsere sozialpolitische Verantwortung. Statt monokultureller Silos versuchten wir uns an multifunktionalen Einheiten – das ist durchaus eine Kraftanstrengung.“
Peter Ulm (6B47)
„Die Politik hat hier eindeutig die Koordinierungsfunktion zwischen verschiedenen Grundstücken, Bauträgern und Bebauungsarten einzunehmen.“
Michael Baert (IFA)
„Der Zusammenschluss von Entwicklern wäre eine andere Möglichkeit. Durch große Volumina werden Abstimmungen erst möglich und zweckmäßig. Es braucht also entweder den Input der Stadt oder einen Zusammenschluss der Entwickler, die ein ganzes Gebiet betreiben, um Missverständnisse zu verringern und Synergien zu bündeln.“
Andreas Reittinger (VOLKSWOHNUNGSWERK)
„Bis jetzt haben wir viel über Neubauten gesprochen – spannend wäre aber auch eine Überlegung bzgl. des Bestands.“
Erich Thewanger (KPMG)
„Auch beim Bestand gilt eine sinnvolle Nachverdichtung mit Qualitätsvorteilen für den öffentlichen Raum und den Nutzer anzustreben. Augenmerk muss hier auf dem Dialog liegen, in dem Kommunen und Entwickler auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Idealerweise sollten die Basisparameter von der Stadt bereits vorgegeben werden. Es braucht auf Stadt- und auf Entwicklerseite Ressourcen, um das qualifiziert diskutieren zu können. Hier geht es um eine Balance zwischen Verhandlung und Verbindlichkeiten.“
Klaus Wolfinger (Wolfinger Consulting)