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Die Digitalisierung muss den Menschen nutzen
Tipp: Sehen Sie hier auch das Kurzinterview aus unserer Serie „Lebenszyklus im Blick“
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Wolfgang Gleissner: Wichtig ist eine ganzheitliche Betrachtung, die alle Aspekte der Nachhaltigkeit miteinschließt. Dazu gehört neben Ökonomie und Ökologie auch die soziale Perspektive, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Demnach muss Digitalisierung für den Anwender einen konkreten Nutzen darstellen.
Was bedeutet Digitalisierung konkret für die Baubranche?
Wolfgang Gleissner: Hier geht ohne die IT schon lange nichts mehr. Denken Sie nur an die vielen Daten, die wir zu einem Objekt brauchen, um den Überblick zu behalten: sämtliche Informationen aus dem Grundbuch, unterschiedlichste Flächenangaben, Zustandserhebungen und die daraus resultierende Instandhaltungsplanung. All das ist bereits weitgehend elektronisch organisiert. Hier ist der digitale Trend schon vor langer Zeit im Arbeitsalltag eines Immobilienverwalters angekommen. Im Rahmen der Bauprozesse sehe ich den Softwareeinsatz differenzierter. Derzeit werden sehr viele Fragen zum Thema BIM-Softwaresysteme gestellt, die von manchen Planern genutzt werden. Die Gedankenwelt von Building Information Modeling (BIM) kann den ganzheitlichen Denkansatz sicher unterstützen, weil sie bereits in einer sehr frühen Phase des Projekts alle Beteiligten auf einer gemeinsamen Plattform zusammenführt. Wenn damit alle dieselbe Sprache sprechen, jeder seine Daten dort offenlegt, schafft das eine gemeinsame Basis für die Abwicklung eines Projekts. Es gibt aber immer noch viele Architektur- oder Ziviltechnikerbüros, die die Möglichkeiten nicht ausschöpfen. Die Kette müsste wirklich die gesamte Planung aller Gewerke einbinden, damit vor allem die Daten zum Gebäude, die wir über den gesamten Lebenszyklus verwenden wollen, strukturiert gesammelt werden. Dazu gehören beispielsweise auch alle Anlagen und technischen Ausstattungen. Nur so würde eine optimale Wartung und Betrauung im Zuge der Verwaltung sichergestellt.
Jede Form der Veränderung wird letztlich von den Menschen getragen, die sie umsetzen. Erleben Sie Ihre MitarbeiterInnen und KundInnen in einer neugierigen Aufbruchsstimmung oder eher skeptisch abwartend wenn es um das Thema Digitalisierung geht? Was ist Ihre ganz persönliche Perspektive dazu?
Wolfgang Gleissner: Es gibt im wesentlichen drei Gruppen. Da sind einerseits die absoluten Pioniere jeden Alters, die ein hohes Interesse für neue Medien haben und sie in der Regel auch sinnvoll einsetzen. Zu dieser Gruppe gehören auch junge Menschen, die bereits ganz natürlich mit allen Möglichkeiten spielerisch umgehen. Also quasi mit dem Smartphone auf die Welt gekommen sind. Auf der anderen Seite des Spektrums gibt es jene Menschen, die Entwicklungen wie der zunehmenden Digitalisierung ablehnend gegenüber stehen. Die muss man aktiv einbinden, Vorteile und auch Möglichkeiten aufzeigen, aber gleichzeitig nicht alles Alte über Bord werfen, denn das hat durchaus seine Qualitäten. Dazwischen liegt die größte Gruppe, nämlich alle jene, die technologische Entwicklungen mit einer gewissen Verzögerung und gleichzeitig wenig emotionaler Verbindung nutzen.
Ohne die IT-Welt könnten wir den Betrieb schon lange nicht mehr aufrechterhalten. Es bedarf aber immer eines Miteinanders zwischen analoger und digitaler Welt. Das ist auch ein Grund für unseren geplanten Umzug. Seit September 2017 sind wir mit der BIG an einem neuen, modernen Standort. Das eröffnet nicht nur neue technische Möglichkeiten, sondern die offenere Bürostruktur erlaubt auch die zwischenmenschlichen Beziehungen zu stärken.
Unsere digitalen Medien, von Smartphone über Laptop bis zu den unzähligen anderen elektronischen Devices und Services, haben unsere Art der Kommunikation und der sozialen Interaktion stark verändert. Unsere Kultur wird damit jeden Tag mehr zu einer „digitalen“ Kultur. Gibt es sie schon, die digitale Projektkultur? Wenn ja, wie gestaltet sich diese?
Wolfgang Gleissner: Nachdem wir in allen Bundesländern tätig sind, nutzen wir zum Beispiel für Abstimmungsprozesse im Zuge der Projekte gemeinsame elektronische Ablagesysteme oder auch ein Videokonferenzsystem, das uns die Kommunikation über die Distanz, nach Graz oder Salzburg, wesentlich vereinfacht. Dennoch kann man das persönliche Gespräch niemals ersetzen. Nur dort entsteht Vertrauen. Denn ausschließlich im direkten Kontakt kann ich erkennen, ob meine Botschaft vielleicht falsch verstanden wurde. Per Email habe ich diese Chance nicht, weil der Sinn beim Empfänger entsteht. Da ist es doch viel besser, ich stimme mich kurz persönlich ab, im Zweifel per Telefon. Danach kann man die wichtigsten Punkte per Email als kurze Dokumentation schicken. In diesem Punkt ist die elektronische Kommunikation wieder unersetzbar. So kann man leicht Beteiligte informieren, die nicht persönlich dabei waren und auch das Ablegen und Wiederfinden der Informationen vereinfacht sich wesentlich. Wir streben an, das Papier noch stärker zu reduzieren. Die anstehende Übersiedlung ist eine gute Möglichkeit dafür.“
Was ist Ihnen persönlich noch besonders wichtig im Hinblick auf die digitale Projektkultur in Ihrem Unternehmen? Wo setzen Sie Schwerpunkte?
Wolfgang Gleissner: „In den letzten beiden Jahren haben wir ein Projekt unter dem Motto `Alt lernt von Jung, Jung lernt von Alt´ verfolgt. Unsere jüngeren MitarbeiterInnen, die digitale Medien deutlich selbstverständlicher nutzen, haben sich dabei aktiv mit jenen ausgetauscht, die sehr lange Zeit nur mit Papier gearbeitet haben oder sogar noch an der Schreibmaschine gesessen sind – für junge Menschen heute unvorstellbar. Beide Seiten haben davon sehr profitiert, da die älteren Mitarbeiter vielleicht nicht immer technologischen Entwicklungen aufgeschlossen gegenüber stehen, aber über einen unglaublichen Erfahrungsschatz verfügen.
Noch zwei Punkte scheinen mir besonders wichtig: Wir dürfen unser Gespür dafür nicht verlieren, ob Ergebnisse, die mir ein elektronisches System liefert, vielleicht auch falsch sein könnten. Außerdem gilt es, aus der Vielfalt an Informationen relevante Aussagen zu filtern. Beides hat auch in der Baubranche höchste Bedeutung. Wir müssen unsere elektronischen Instrumentarien bewusst einsetzen, dürfen uns aber nicht vom Werkzeug dominieren lassen.
Themen wie Vertrauen und Transparenz sind für das Funktionieren einer digitalen Kultur wichtig. Was sind die wesentlichen Faktoren zur Sicherstellung eines produktiven, digitalen Umfelds?
Wolfgang Gleissner: Ein wesentliches Thema dabei ist Verantwortung. Aufgrund des hohen Grades der Arbeitsteilung, muss man sich auf die Qualität der Daten des Kollegen oder Geschäftspartners verlassen können. Dazu gehören auch Disziplin und Konsequenz beispielsweise bei Themen der Dokumentation. Ein produktives digitales Umfeld kann aber nur entstehen, wenn auch die analoge Welt in Ordnung ist. Daher müssen wir die informelle Kommunikation im Unternehmen stärken. Jeder kurze Stopp an der Kaffeemaschine, jede Fahrt im Aufzug verschafft mir einen Überblick.
Interviewführung: Jeanny Gucher, Beraterin der 4dimensions, Spezialistin zum Thema Mensch und Kultur in der Bauwirtschaft