Aktuelles
Offener Brief an die regierungsbildenden Parteien
OFFENER BRIEF AN DIE REGIERUNGSBILDENDEN PARTEIEN
Betrifft: Forderungen für eine zukunftsfähige Entwicklung der Bauwirtschaft
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Bauwirtschaft ist eine unverzichtbare Stütze der österreichischen Volkswirtschaft und trägt mit über 310.000 Arbeitsplätzen und einer jährlichen Wertschöpfung von 23 Milliarden Euro maßgeblich zur Wertschöpfung unseres Landes bei. Die derzeitige wirtschaftliche Lage ist jedoch herausfordernd: Hohe Baukosten und steigende Zinssätze haben das Bauvolumen drastisch reduziert, die Arbeitslosigkeit nimmt zu, und die Perspektiven für die Bauwirtschaft sind zunehmend angespannt. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Sanierung von Bestandsbauten zu: Gemäß Euroconstruct hat die Hochbausanierung 2024 ein Produktionsvolumen von 12,1 Milliarden Euro. Das ist 2,5 Prozent des BIP. Wir wenden uns daher an Sie mit der dringenden Bitte, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um die Stabilität und Zukunftsfähigkeit unserer Branche zu stärken:
Rahmenbedingungen und aktuelle Herausforderungen
Im Frühjahr 2024 wurde die überarbeitete Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie (EPBD) vom Europäischen Parlament verabschiedet. Diese, auf die EU-Taxonomie-Verordnung abgestimmte, Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, innerhalb der nächsten zwei Jahre entsprechende Regelungen in nationales Recht zu überführen. Vor diesem Hintergrund fordern wir Politik und
Verwaltung auf, dies mit entsprechender Dringlichkeit zu behandeln und zukunftsorientierte Maßnahmen zu beschließen.
Notwendigkeit klarer Rahmenbedingungen und Zielvorgaben
Klar definierte Rahmenbedingungen und zukunftsorientiere Zielvorgaben sind entscheidend, um Planungsqualität zu steigern, Innovationsfelder wie Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Bauwirtschaft zu erhöhen. Sie bieten Investoren die nötige Sicherheit und mindern das Risiko von Wertverlusten („stranded assets“). Stillstand ist keine Option – aus Gründen des Klima- und Ressourcenschutzes ebenso wie wirtschaftspolitisch. Um die notwendige Transformation zu beschleunigen und neue Marktchancen zu erschließen, brauchen wir im Baubereich klare Zielvorgaben und konkrete Sanierungsfahrpläne. Unsere Forderungen umfassen:
a. Schnellstmögliche Umsetzung wesentlicher Bestandteile der EPBD in nationales Recht
Die Anforderungen der EPBD sind richtungsweisend für die nachhaltige Transformation des Bauwesens. Wir fordern, dass die Vorgaben der Richtlinie zeitnah und umfassend in nationales Recht umgesetzt werden, mit Grenzwerten im Einklang mit den Zielen des European Green Deal.
b. Abgestimmte Sanierungs- und Neubaufahrpläne
Die Festlegung ambitionierter Sanierungsfahrpläne und Anforderungen an Neubau mit spezifischen Zwischenzielen ist entscheidend. Diese Fahrpläne sollten verbindliche Entwicklungspfade enthalten, die sich an den Zielen der Energieeffizienz und der Reduktion der Treibhausgase des gesamten Lebenszyklus orientieren. Sie sollten zudem eng mit Aspekten der Klimawandelanpassung und übergeordneten Energieraumplänen abgestimmt sein, um langfristige Planbarkeit zu gewährleisten und aufwendige Nachrüstungen zu vermeiden. Im Rahmen der bereits geforderten Gebäudedokumentation des Energieausweises fordern wir dies, um eine systematische Dokumentation der verbauten Ressourcen zu erweitern, um zur Umsetzung der österreichischen Kreislaufstrategie beizutragen.
c. Fokus Gebäudesanierungen I Umgang mit dem Gebäudebestand
Die Priorität und somit finanzielle Unterstützung sollten auf Gebäudesanierungen und verwertungsorientiertem Rückbau liegen, anstatt auf Abbruch und/oder Neubau – mit einziger Ausnahme im gemeinnützigen Wohnbau.
Um die erforderlichen Sanierungsquoten in Kombination mit der erforderlich hohen Sanierungsqualität zu erreichen, sind vielfältige Anreizmodelle nötig, die Investitionen attraktiv machen sowie die Wirtschaft auf künftige Herausforderungen vorbereiten, etwa durch Weiterbildung, Umschulung und die Sicherung von Arbeitsplätzen.
Zukünftige Förderungen sollten jedenfalls ein ganzheitliches (Sanierungs-)konzept voraussetzen, das neben baulichen und gebäudetechnischen Maßnahmen auch Aspekte wie Mobilität, Freiflächen und die Infrastruktur des Standorts einbezieht.
d. Anpassung normativer Vorgaben zugunsten flexibler Regelungen für das Bauen im Bestand
Um die Sanierungsqualität zu steigern, ist es notwendig, Leerstände zu aktivieren und das Bauen im Bestand zu attraktivieren. Die Anpassung veralteter Mindestanforderungen könnte zudem die Schaffung von erschwinglichem Wohnraum unterstützen. Eine intensivere Nutzung des bestehenden Gebäudeportfolios ermöglicht es uns, Ressourcen zu schonen und regionale Wertschöpfung zu generieren.
Folgende Maßnahmen sind dabei entscheidend:
• Berücksichtigung von Aspekten der Klimawandelanpassung
• Anpassung der Mindestanforderungen an KFZ-Stellplätzen
• Überprüfung und Anpassung von Raumhöhen, Schallschutz- und
Brandschutzvorgaben für Bestandsbauten
Wir rufen Sie eindringlich dazu auf, entschieden zu handeln und die genannten Punkte zeitnah umzusetzen und auf allen Ebenen zu implementieren. Die Bauwirtschaft und Wissenschaft ist bereit, ihre umfassende Expertise und tatkräftige Unterstützung bei der Ausformulierung der Lösungen einzubringen, um gemeinsam eine zukunftsfähige Entwicklung im Gebäudesektor zu erreichen.
Stellvertretend gezeichnet durch,
Univ.- Prof. Dr. Alexander Passer, TU Graz
KR Ing. Bernd Sieber, Austrian Consultants Association (ACA)
Doris Bele MSc., Facility Management Austria (FMA)
Arch. Dipl. Ing. Fabian Wallmüller, ig Architektur
Mag. Gebhard Ottacher, MPA, Climate Lab
Dipl. Ing.in Kathrina Rieger, IG Lebenszyklus Bau
Monika Auer, Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT)
Mag. Peter Engert, Österreichische Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI)
Dipl. Ing.in Susanne Formanek, Grünstattgrau
Arch. Dipl. Ing. Thomas Hoppe, Verband der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe (VZI)
Dipl. Ing.in Ulla Unzeitig, renowave – Innovationslabor für klimaneutrale Sanierung
Dipl. Ing. Wolfgang Kradischnig, IG Lebenszyklus Bau